Ein Insektenparadies
Taiwan ist ein Paradies für Insekten. Diese Schönheit zeigt sich in einer einzigartigen Flora und Fauna. Auf nur 36 000 Quadratkilometern gibt es über 100 Berge mit mehr als 3000 Metern Höhe. Außerdem deckt die Insel drei Klimazonen ab: tropisch, subtropisch und gemäßigt. Mit diesen Unterschieden in Temperatur und Höhe bietet Taiwan verschiedensten Tier- und Pflanzenarten auf engster Fläche einen optimalen Lebensraum.
Die Ausstellung „Singende Insekten“ wurde von dem National Museum of Natural Science und von der National Chung Hsing University (beide in der zentraltaiwanischen Stadt Taichung gelegen) zusammen geplant und mit Hilfe der Taipeh Vertretung in Hamburg realisiert. Gezeigt wird, welche Insekten singen können, wozu und wie sie das machen. Funktion, Biologie und Kulturgeschichte von Insekten und Menschen werden eindrucksvoll dargestellt. Über 90 bunte, gut illustrierte und zum Teil interaktive Tafeln, Modelle und Objekte führen den Zuschauer durch die Ausstellung. Es geht nicht nur um die Darstellung der „Singenden Insekten“ wie zum Beispiel Grillen, Heuschrecken und Zikaden und deren Laut-Charakteristika, sondern auch um den weltweiten kulturellen Stellenwert dieser Lebewesen. So kann man eintauchen in die Schriften der Vergangenheit, die sich immer wieder mit diesen Insekten befasst haben, aber auch den heutigen Bräuchen begegnen, bis hin zur kulinarischen Zubereitung dieser Tiere.
Dr. Chou Wen-hao, stellvertretender Generaldirektor des National Museum of Natural Science, übergibt Dr. Rainer Schwedler eine Urkunde zum Dank für eine großzügige Spende präparierter Schmetterlinge. (Foto: Chen Keh-miin)
Bekannt sind Heuschrecken und Grillen schon — aber welche Laute sie von sich geben und wie und warum sie das tun, ist für viele neu. „Singende Insekten wie Heuschrecken und Grillen grenzen ihr Revier ab oder locken Weibchen an“, erklärt Dr. Hallermann. „Sie haben an jedem Flügel eine Leiste. Wenn diese übereinander streichen, gibt es ein Geräusch, man muss sich das wie bei einer Geige vorstellen.“ Der Gesang deutet darauf hin, dass ein Tier sein Revier markiert oder einen möglichen Partner anlocken möchte. Viele der singenden Insekten zeichnen sich durch besonders komplexe Gesangsmuster aus. Es gibt beim Gesang nicht nur Unterschiede zwischen den Arten, sondern auch zwischen einzelnen Tieren. So können Weibchen etwa aufgrund bestimmter Merkmale im Gesang ihren Brutpartner erkennen.
Eine weitere Besonderheit dieser Ausstellung liegt darin, dass für die Einrichtungen und Ausstellungstafeln überwiegend umweltfreundliche Materialien verwendet wurden. So leistet die Ausstellung auch einen Beitrag zur Reduzierung der Umweltverschmutzung und kann leichter recycelt werden.
Internationales Jahr der Biovielfalt
Die Vereinten Nationen haben das Jahr 2010 zum „Internationalen Jahr der Artenvielfalt“ erklärt, um auf den weltweit akut drohenden Verlust der biologischen Vielfalt von Tieren und Pflanzen aufmerksam zu machen. Diese einzigartige Ausstellung „Singende Insekten“, die ganz im Zeichen der Biodiversität der Tierlaute — also der Kommunikation von Tieren — steht, dient dem Schutz der singenden Insekten und der Werbung für diese Lebewesen, von denen viele durch menschliche Eingriffe bedroht sind.
Da heutzutage die Artenvielfalt rasch abnimmt, ist der Schutz der singenden Insekten sehr wichtig geworden. Das Konzept des Naturschutzes auf Taiwan umfasst sowohl den Schutz der Lebensräume als auch den Schutz der Arten. Laut der Weltnaturschutzunion (International Union for Conservation of Nature, IUCN) sind die Hauptgründe für das Aussterben von Arten die Eingriffe in den natürlichen Lebensraum und deren Zerstörung. Auch für singende Insekten stellt die Vernichtung und Zerstückelung des Lebensraumes die größte Bedrohung dar. Da sie sehr nah bei Menschen leben, leiden sie unter zunehmender Verstädterung. Mit Beton versiegelte Böden beispielsweise bieten den frisch geschlüpften Nymphen keine Chance zu überleben.
Der Papierkünstler Hung Hsin-fu zaubert Tiere aus Papier und begeistert damit sein Publikum. (Foto: Chen Keh-miin)
Für den Schutz der Lebensräume ist es, abgesehen von der Gründung von Naturschutzgebieten, Naturreservaten und Nationalparks, ebenfalls unerlässlich, den menschlichen Einfluss zu vermindern. Maßnahmen wie die Reduzierung von Pestiziden, der Erhalt grüner Gürtel in Städten und die sparsamere Verwendung von Beton werden dem Überleben der singenden Insekten dienlich sein.
Es wird in Taiwan viel getan, um nachhaltiges Umweltmanagement umzusetzen und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit darauf zu lenken, wie wichtig es ist, unsere ökologische Umwelt zu erhalten.
Lange Nacht der Museen
Eröffnet wurde die Ausstellung bereits am 22. April mit einer Ansprache der Hamburger Wissenschaftssenatorin Dr. Herlind Gundelach. Anwesend bei der Eröffnung war auch der stellvertretende Generaldirektor des National Museum of Natural Science, Dr. Chou Wen-hao, welcher in einer bewegenden Dankesrede Dr. Rainer Schwedler eine Urkunde überreichte. Dr. Schwedler, ehemaliger Bibliotheksleiter des Fachbereiches für Erziehungswissenschaft an der Universität Hamburg, hat in den sechziger Jahren begonnen, Schmetterlinge zu sammeln. Die Sammlung umfasst mittlerweile mehr als 280 Schmetterlingsarten aus Europa und der palearktischen Region — insgesamt 3434 Stück. Nun beschloss Dr. Schwedler, die komplette Sammlung dem Museum in Taiwan zu überlassen.
Unter den Besuchern in der langen Nacht der Museen waren auch besonders viele Kinder zu erblicken, die mit großen Augen durch die Ausstellung wanderten, denn neben vielen Informationstafeln und detailgenauen Nachbildungen von Grillen, Heuschrecken, Schaben und anderen „singenden Insekten“ konnte man zudem mit Hilfe mehrerer Computer animierte Wissensspiele durchführen. Per Klick ertönten so Grille, Heuschrecke und Schabe in vollem Klange.
Bei der Ausstellung „Singende Insekten“ gab es auch dieses Modell zweier kämpfender Grillen zu bewundern. (Foto: Courtesy National Museum of Natural Science)
Die Gäste zeigten sich fasziniert von den singenden Insekten, aber auch von dem bunten Rahmenprogramm. So wurden an die 1000 Jiaozi (entfernt an Ravioli erinnernde gefüllte Teigtaschen) von vier hervorragenden Köchen frisch vor den Augen der Zuschauer zubereitet und konnten mit großem Genuss verzehrt werden.
Neben einer Einführung in die Teezeremonie und der Präsentation eines Gemüseschnitzers sorgte der Papierkünstler Hung Hsin-fu für beste Unterhaltung, indem er Tiere aus Papier schuf. Hung gab eine Kostprobe seiner unglaublichen Fingerfertigkeit und unerschöpflichen Kreativität. Er faltete filigrane Papierskulpturen, inspiriert von Motiven aus der taiwanischen Natur und Kultur: Ob Schmetterling, Grashüpfer, Vogel, Tiger — Papiermeister Hung zaubert alle nur denkbaren Papier-Tierfiguren. Das Element der Bewegung verleiht seinen Schöpfungen eine besondere Lebendigkeit. Begeistert durften die Besucher nach Anleitung mitmachen und staunten nicht schlecht, wie mit zwei einfachen Schnitten ins Papier, einmal links gefaltet, einmal rechts gefaltet, ein Frosch aus dem Papier springt.
Die Ausstellung wird noch bis Mitte August in Hamburg zu bewundern sein. Dann werden die Kostbarkeiten gut verpackt und reisen quer durch Europa. Im September ertönen die Singenden Insekten im Nationalmuseum in Ungarn, im Dezember ist die Ausstellung in Prag zu sehen, und anschließend wird es Stopps in den Niederlanden, Schweden und Italien geben.